„Vom Gastarbeiter zum Unternehmer“ – Wirtschaftstreibende im Fokus der Neunkirchner Integrationsgespräche

19.04.2018 11:57

ZusammenredenApril (3)

Die Diskutanten am Podium: v.l. VizebürgermeisterMartin Fasan, Edip Bayizitlioglu, Sylvia Hahn, Ani Gülgun-Mayr, Atasoy Özoglu, Josef Braunstorfer und Hikmet Arslan.

 Am 17. April 2018 ging die neueste Auflage der Neunkirchner Integrationsgespräche zum Thema „Lebenswelten türkeistämmiger Wirtschaftstreibender“ über die Bühne. Rund 30 Personen diskutierten mit den ReferentInnen unter der Moderation von Hikmet Arslan über die wirtschaftliche Selbständigkeit türkeistämmiger MitbürgerInnen.Bereichert wurde die Veranstaltung durch die Teilnahme von lokalen UnternehmerInnen.

„Selbständig sein heißt, selbst und ständig zu arbeiten“

In Neunkirchen sind 25 Prozent der Selbständigen keine österreichischen StaatsbürgerInnen, informierte der Neunkirchner Bezirksstellenleiter der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Josef Braunstorfer. Bei der Wirtschaftskammer als Beratungsstelle für Selbständige werde nicht unterschieden, „ob jemand Österreicher ist oder Türke. Es gibt in Österreich die Gewerbeordnung und die muss man lernen“, fügte Braunstorfer hinzu. Vielen sei aber die Herausforderung einer Selbständigkeit nicht klar, umso wichtiger sei gute Beratunge. Als erfolgreicher Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft erklärte Edip Bayızıtlıoğlu, dass selbständig werden „auch mit Mut zu tun“ habe. Er selbst hätte es als türkeistämmiger Unternehmer nicht einfacher oder schwerer als andere Selbständige in Österreich gehabt, „aber eine gewisse ‚Basarmentalität‘ der Türken hilft schon auch.“ Um einen Standort für Selbstständige attraktiv zu machen, sei es wichtig, auf die Möglichkeiten und Vorteile zu fokussieren und nicht auf die Hindernisse, erläuterte der Unternehmer.

Menschen sind schon immer gewandert

Unter den Türkeistämmigen könne Selbständigkeit und Unselbstständigkeit auch im selben Lebenslauf vorkommen und verändere sich nicht nur über Generationen hinweg, führte Sylvia Hahn, Historikerin und Vizerektorin für Internationale Beziehungen und Kommunikation der Universität Salzburg, aus. „Das bewundere ich sehr. Vielleicht hat das mit dieser ‚Basarmentalität‘ zu tun. MigrantInnen aus Südosteuropa wagen diesen Schritt häufiger“, stellte Hahn fest. Die Historikerin betonte, dass Menschen schon immer gewandert sind: Daher gehöre (Arbeits-)Migration zum Menschen, „wie leben, lieben, heiraten und sterben.“ Als Vorsitzende von einem Verein zur Förderung der ArbeiterInnenkultur beschäftigte sich Kübra Atasoy-Özoğlu mit Arbeits- und Fremdenrecht in Österreich und wies darauf hin, „dass Arbeitsmigration eng mit dem Fremdenrecht zusammenhängt.“ Die Selbständigkeit sei auch ein Schutz gegen Arbeitslosigkeit gewesen, um die Aufenthaltserlaubnis zu sichern, ergänzte Hahn. Einig waren sich Hahn und Atasoy-Özoğlu auch, dass die GastarbeiterInnen viele Branchen, die „vom Aussterben bedroht waren, wiederbelebt haben.“ Ein prominentes Beispiel dafür seien die Wiener Märkte in den 1980ern: „Die Märkte in Wien, vom Naschmarkt bis nach Favoriten, stehen eng in Verbindung zur Arbeitsmigration“, so Atasoy-Özoğlu.

„ZusammenReden“ ist ein Projekt der Caritas Wien (Missing Link). Es wird vom Land Niederösterreich gefördert und in Kooperation mit den Gemeinden Korneuburg und Neunkirchen durchgeführt.

19.04.2018